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記事 | Kirsch blüten fest | 2006

SOLO EXHIBITION | Galerie Post
leipzig | Germany | CONTEMPORARY ART | 2006

Tradition als historisches Kulturgut: der japanische Maler
Taro Otani in der Galerie Post

Meinhard Michael

Entsteht etwas Neues, wenn westliche und östliche Kultur zusammenkommen? Viel ist die Rede vom aufstrebenden Asien. Der koreanische Videokünstler Nam June Paik hat das Verhältnis zwischen dem Osten und dem Westen einmal als Videoinstallation mit zwei typischen, klischeeartigen Ikonen eingerichtet. Eine kleine Replik des „Denkers“ von August Rodin und eine zerstörte, nur noch am Volumen erkennbare Buddha-Figur stehen sich darin gegenüber. Westliche Weltdurchdringung gegen beschädigte asiatische Transzendenz?

Wenn ein Japaner 20 Jahre zu Hause und anschließend 15 Jahren in Deutschland lebt, macht er gewichtige Erfahrungen auf beiden Seiten. Der 1979 in Yokohama geborene Taro Otani, der jetzt zum zweiten Mal in der Galerie Post ausstellt, zog 1999 nach Freiburg im Breisgau. Er studierte bis 2004 in Karlsruhe Malerei (bei Max Kaminski) und lebt heute in Berlin.

Der Maler begann als Wessi. In den früheren, kurz vor und nach dem Diplom entstandenen Bildern von Otani ist von einer bildlichen Kultur seiner Heimat gar nichts oder nicht viel zu spüren. Dunkle Oberflächen lassen nur ein paar Schlitze übrig. Darin sind Fragmente von Farbigkeiten und Figurationen, die unter dem Schwarz liegen, eher zu ahnen als zu erkennen. Forsch könnte man Otani damit einem konzeptionell angereicherten abstrakten Expressionismus nordamerikanischer Herkunft zuschlagen.

Die neueren Bilder in der Galerie Post sind Ergebnis eines veränderten malerischen Ansatzes. Er beruht auf alten, ja ältesten japanischen Fundamenten. Die Perspektiven der Bilder zum Beispiel muten dem europäischen Auge naiv an: Ein großes grünes, mit Hunderten Farbtupfern bedecktes Halboval entpuppt sich als Insel im Meer. Die gleichmäßig verstreuten Farbpunkte erweisen sich als Bäume in Blütenpracht. Sie sind umgeben von weiterem Bewuchs, alles locker verteilt wie auf einem, um einen westlichen Vergleich zu bemühen, Tausend-Blumen-Teppich. Auf anderen Bildern zeichnet Otani in summarische Blattformen mikrokleine Äderungen ein und stellt als symbolische Stämme kleine Stäbchen darunter. Das ganz Große mit dem ganz Kleinen zu verbinden, ohne dass eine Perspektive den Zusammenhang erklären könnte, ist eine der auf japanischer Tradition gründenden Methoden.

Eine andere Variante der gefüllten Bilder erinnert an die Kästchenfelder Paul Klees. Ornamentale Abkürzung und serielle Vervielfältigung dominieren. Naturalistisch genau – was auch denkbar gewesen wäre – wird Otani nicht. Er wagt sich sogar an Klischee gewordenen japanischen Motive wie das legendäre Kirschblütenfest oder die herbstlich gen Bach flatternden Blätter. Sein malerischer Stil abstrahiert davon, doch die Tradition bleibt mehr als ein Fingerzeig, sie bestimmt den Charakter der Bilder mit. Taro Otani hat diese Tradition selbst eher als historisches Kulturgut erlebt. Das heißt, er greift, nachdem er die westliche Ausbildung einige Monate hinter sich hat, nun auf eine eigentlich bereits ferne östliche Wurzel zurück und versucht eine Synthese.

Nam June Paik, der sehr viel in Europa und in den USA gearbeitet hat, zeigt sich in seiner erwähnten Installation mit Buddha und Denker eher skeptisch. Bei ihm filmt je eine Kamera eine Figur frontal statuarisch. Die Bilder werden auf Monitore übertragen, zwei davon stehen sich dicht an dicht gegenüber. Beschädigter Buddha und Rodins Denker flimmern sich unbeweglich an. Es findet keinerlei gegenseitige Wahrnehmung der Kulturen statt, die Begegnung ist reine Konfrontation der ausschließlichen Selbstwahrnehmung. Die Sache ist ausweglos – weshalb die Installation in der Berliner „Melancholie“-Ausstellung steht.

Otani ist offenbar besser drauf. Gewinn ohne Verlust? Nein, die locker-flockige Sprenkelei auf den kleinen Formaten kann auch ermüden. Dagegen faszinieren Bilder, in denen zum Beispiel ein Blattmotiv physiognomische Assoziationen entstehen lässt – eine Erzählung bahnt sich an. Im klassischen Haiku ist ja auch niemals nur vom ersten Schnee die Rede, wenn über Schnee geredet wird.

Meinhard Michael

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